Preispolitik und Flexible Preisgestaltung für mehr Umsatz oder versaute Kundenvorstellungen

von | Nov 4, 2019 | Branding, Digitalisierung, Praxis | 0 Kommentare

 

 

Preis Festsetzen oder fließen lassen. Wie lässt sich entweder mehr verkaufen, oder eine höhere Marge erzielen, oder beides?

 

Es ist eigentlich ein klassisches Markteingthema, doch es hat gravierende Auswirkungen auf die Markenwahrnehmung. Preisgestaltung und Preispolitik sind in vielen Unternehmen ein stiefmüttlerlich behandeltes Thema. Zu Unrecht. Sie ist eine wichtige Determinante der Markenidentität und gerade bei digitalen Angeboten reicht es aus, auf einer Preisliste einen Preis zu verändern und man erhält ein direktes Feedback von den Verkaufszahlen. Warum man sich nicht ordentlich um das Thema kümmert, erschließt sich uns nicht, denn es ist die einfachste art, mehr Geld zu verdienen und sich am Markt zu positionieren wenn man dabei ein paar Regeln beachtet. Man muss keine Einsparungen durchführen, keine Leute entlassen, keine mega aufwändigen Marketing-Anstrengungen unternehmen um mehr zu verkaufen. Ein höherer Preis, bedeutet mehr Marge, doch am Anfang steht die Analyse.

 

 

 

Wer bin ich und wer will ich sein? Wie stehe ich mit meinen Produkten und Dienstleistungen meinen Konkurrenten gegenüber und wie werde ich aktuell von Kunden/Clientenseite aus wahrgenommen? Will ich Marktanteile gewinnen, einzelne Produktgruppen monetarisiern, oder über den Preis meinen Kundenkreis eingrenzen und exklusiver gestalten? Die Preisgestaltung als Teil der Marketingstrategie muss dann noch vom Vertrieb umgesetzt werden um den höheren Preis beim Kunden zu erzielen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass sich durch ein gut durchgearbeitetes Preismodell 5-10% mehr Umsatz erzielen lassen. Verglichen mit anderen Maßnahmen, die man betreiben müsste, um dieses Umsatzplus hin zu bekommen, kostet Pricing fast gar nichts, was es auch so interessant macht.

 

 

Der Preis-Anker – Apple zum Beispiel. Sie bringen seit Jahren Produkte auf den Markt, die weit oberhalb der Konkurrenz in einem Premuimsegment angeboten werden und verlagen dafür Premuimaufschläge, die allein mit der Produktleistung nicht zu rechtfertigen sind. Es ist ein Mix auf Markenidentität, Nutzerfreundlichkeit und nicht zuletzt Zahlungsbereitschaft der Kunden, der den Preis der Apple-Produkte bestimmt. Dabei geht Apple trotz intensiver Marktforschung um ebendiese Zahlungsbereitschaft zu evaluieren, iterativ vor. Heist: Sie probieren es einfach aus. Dabei steigt man mit dem Preis eher hoch ein und kann dann, wenn der Umsatz nicht wie erwartet ausfällt, nach unten Korrigieren. So zuletzt geschehen mit dem I-Phone X. Andersherum wäre es viel schwieriger. Man stelle sich einen Markteinführungspreis von 600€ vor, der dann aufgrund einer unerwartet hohen Nachfrage nach oben korrigiert werden müsste. Selbst wenn sich feststellen ließe, dass die Kunden 800€ für einen fairen Preis hielen, würde ihn nach der Enifühung für 600€ niemand mehr Zahlen, weil der Preisanker bei 600€ gesetzt wurde. Das gleiche Phänomen findet man in Verhandlungen, wo vierstellige Beträge, über die verhandelt wird, vom Zahlenden immer zuerst in Verbindung gebracht werden mit sechsstelligen Beträgen des Projektes. Der Preisanker der hohen Beträge lassen die kleineren Beträge nichtig erscheinen. Andersherum wirkt der zuerst genannte nierige Preis von 600€ als Preis-anker für die dann höheren 800€. Das müssen auch keine Preise sein. Jede Zahl ist als Preis-anker geeignet. Wenn man mit jemandem darüber spricht, wie viele Menschen in Berlin leben und oder welche bedeutung das Jahr 1998 in seinem Leben hat, ist er danach (statistisch) bereit einen höheren Preis für ein Päckchen Butter zu zahlen, als wenn man mit ihm über ein-Zimmer Wohnungen und die Zahl 3 spricht.
Zusätzlich kann man Preis-anker verschieben, wenn z.B. ein Kunde ein Produkt sucht für das er bereit ist, 100€ aus zu geben, kann ich ihm eines für 100 oder darunter zeigen, ooooder ich zeige ihm erstmal eines für 400€ mit allen damit verbundenen Vorteilen. Dann wird der Kunde seinen Preis-anker neu bewerten und in der Regel ein Produkt für 100-140 € kaufen.

 

 

 

Das 3er-Paket: Verwandt mit dem Preis-anker und genauso manipulativ ist das 3er-Paket System. Kennt man von Diensten und Angeboten auf Websites, da gibt es dann 3 Pakete, die man auswählen kann: Basic, mit ein paar Häkchen bei den Features, Professional mit viel mehr Häkchen und Premium mit jeder Menge Häkchen bei Features, von denen man bisher noch nicht mal wusste das es so was gibt. Ziel bei solchen 3er-Paketen ist immer das mittlere Paket zu verkaufen, also Professional. Das Premium Paket ist so gestaltet, dass der Nutzwert, den es zusätzlich bietet nur von der absoluten Minderheit der Kunden benötigt wird. Der Preis-Abstand vom kleinen zum mittleren Paket ist dabei so 20-30% während vom mittleren zum großen Paket oft 100% Preisunterschied stehen. Der Premiumpreis dient hier nur als Preis-anker und der Kunde, der sich oft nicht gut auskennt, nimmt nicht das günstigere Paket weil ihm das in Bezug auf den Premiumpreis und den relativ kleinen Preis-Abstand zum günstigsten Angebot zu billig erscheint und keine Sicherheit zu geben scheint. Hier spielt die Risiko-Aversion von Menschen eine große Rolle.
„Kaufe ich den Joghurt für 1,10€ oder für 1,5€ oder den für 3,50€? Ach ich nehm den für 1,50€, der ist bestimmt besser als der billige und 3,50€ ist ja auch übertrieben. Ich habe mich vernünftig entschieden.“ Ha! Funktionert mit Dienstleistungsangeboten wie Waren gleichermaßen und in allen Bereichen. Voraussetzung ist ein Kunde, der spontan und relativ uninformiert entscheidet.

 

 

 

 

 

 

Hosting-Beispiel: das 3er Paket in Aktion und als Vierer-Version. 90% der Nutzer wären mit den kleinen Lösungen am Besten beraten.

 

 

 

Aber auch am POS kommt das 3erPaket zum Einsatz. Wenn ich vor einem Regal stehe und es gibt nur ein oder zwei Angebote, frage ich mich sofort: welche Optionen habe ich noch? Handy raus, weg vom POS. Wenn ich aber 3 Produkte ins Regal lege und dabei die Regeln des 3er-Paketes (können je nach Produktgruppen auch mehr sein) beachte, schaffe ich meine eigenen Referenzpreise und Preisanker und kann den Kunden zum Kauf eines Produktes verleiten, das preislich über dem liegt, was er sonst dafür ausgibt. Klingt manipulativ? Ja, ist es auch und man muss aufpassen, dass man es mit der Manipulation nicht übertreibt, sonst kann sich ein sehr negatives Markenerlebnis einstellen und dann war all die schöne Bepreiserei vergebens.

 

 

 

Flexible Preisgestaltung oder eleganter ausgedrückt: Preisdifferenzierungsstrategien sind Möglichkeiten, Preise nach verschiedenen Kriterien zu differenzieren, also, je anvisiertem Verkauf einen unterschiedlichen Preis auf zu rufen. Im B2B habe ich viele Infomationen über meinen Kunden und kann Kriterien wie, Umsatzstärke oder Treue des Kunden, noch verfügbaren Warenbestand. Im B2C werden, sofern Daten über den Kunden nicht vorhanden sind, externe Faktoren herangezogen: Wetter, Wochentag, Uhrzeit, Wohnort des Kunden, Veranstaltungen in der Nähe, Setup des Kunden. Bei Online Angeboten wird teilweise auch das Gerät, mit dem die Seite aufgerufen wird in die Preisbildung mit einbezogen. Ein Nutzer des vor zwei Monaten erschienen iPhones wird tendenziell eine höhere Zahlungsbereitschaft haben, als jemand der mit einem 10Jahre alten Laptop ins Netz geht.
Die Akzeptanz von flexibler Preisgestaltung schwankt erheblich. Während manche Differenzierungen als völlig nachvollziehbar und geradezu naturgegeben akzeptiert werden, können sich andere zu einem ausgewachsenem PR-Desaster entwickeln, das nachhaltig die Marke schädigt. Ein Paar Beispiele:
Fluglinien: es gibt unterschiedliche Buchungsklassen, die nach Business und Tourist differenzieren. Wie erkennt die Airline den Buchenden? Nach Aufenthaltsdauer, Buchungszeitpunkt und Reiseziel. Will ich in ein paar Tagen von Mittwoch bis Freitag nach NewYork ist ein Businesstrip wahrscheinlich und ich bekomme direkt den höheren Preis. Buche ich 3 Monate im Voraus einen Flug nach NewYork und den Rückflug 2 Wochen später ist ein Tourismus-Zweck zu unterstellen und der Preis für den Flug fällt geringer aus.
Getränke: CocaCola hat mal mit flexibler Preisgestaltung herumgespielt und dafür medial bös auf die Fresse bekommen. An Bahnhöfen und Flughäfen wurden die Preise nach Wettersituation und Warenbestand ausgerichtet. Waren es also 30°C Außentemperatur, stiegen die Preise, waren nur noch wenige Flaschen verfügbar, auch. Die Kunden empfanden die Preiserhöhungen als an Erpressung grenzenden Wucher und reagierten äußerst ungehalten.
Transport: Uber nutzt seit Jahren flexible Preisgestaltung. Ist das Wetter schlecht oder sind wenige Taxis zu vermuten, wie am Ende einer Großveranstaltung steigen die Preise des Taxidienstleisters.
Tankstellen: Montagmorgen sind alle im Stress, Trucker zahlen mit der Firmenkarte, die Preise interessieren sie nicht, die Zahlungsbereitschaft ist hoch. Das wabert dann durch die Woche bis Sonntag Abend alle zuhause sitzen und keiner mehr tankt, da sind die Preise am niedrigsten. Ansonsten schwanken die Preise tagsüber von früh bis spät, wochentags früh am höchsten weil wir da auf dem Weg zur Arbeit sind und uns keine Gedanken um Benzinpreise machen, mittags am niedrigsten, Nachts wieder hoch, weil da viele Tankstellen zuhaben und das Angebot niedriger ist.
Hotels: Fast schon als natürlich gegeben ist die Differenzierung nach hoch und Nebensaison. Ansonsten wird hier nach Wetter, in der nähe von Flughäfen nach der Anzahl von gestrandeten Flugreisenden und sonst nach Großveranstaltungen differenziert. Versuchen Sie mal in Frankfurt während IAA oder Buchmesse ein Hotelzimmer zu einem einigermaßen akzeptablen Preis zu bekommen.
Uber hatte während eines Blizzards, der Teile des Nordostens der USA lahmlegte den Algorithmus der die Preisstruktur definiert eine Erhöhung der Preise verfügen lassen. Technisch Korrekt, doch von den Kunden als extrem unfair wahrgenommen. Folge war ein Shitstorm, der das Unternehmen Marktanteile kostete.
Eine Kinokette in England hatte sich vom Kinodienstag gelöst und differenzierte die Ticketpreise nach Wetter und Konkurrenzveranstaltungen. Für die Kunden sehr intransparent, da nicht offensichtlich war wie der Preis denn nun zustande gekommen war und was man machen musste um den niedrigeren Preis zahlen zu können. Die Kunden standen bloß an der Kasse und sollten jetzt mehr für ein Ticket zahlen als noch letzte Woche am gleichen Wochentag. Der durch äußere Umstände definierte niedrigere Preis war bei den Kunden als Preisanker drin. Die Folge waren unzufriedene Kunden, die sich übervorteilt sahen und ein online-Shit-Störmchen (so schlimm wars nicht).

 

 

 

Um flexible Preisgestaltung erfolgreich einzusetzen, müssen Zahlungsbereitschaft der Kunden, Transparenz der Preisgestaltung und das Phänomen des Preisankers in Balance gebracht werden. Das erfordert zunächst das erheben großer Datenmengen von Preisen der Konkurrenz bis zu Informationen über die Kunden um daraus einen Preis zu ermitteln, der zu möglichst vielen Kaufentscheidungen führt, die (Achtung wichtig!) nicht bereut werden. Die dazu nötigen Kenntnisse von Datenquellen und Software sind von kleinen und mittleren Unternehmen kaum zu erbringen und werden daher fast immer extern von Pricing-Agenturen übernommen..

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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