Shelf-impact und seine Grenzen im Verpackungsdesign

von | Jul 3, 2019 | Branding, Designer, Grundlagen, Praxis | 0 Kommentare

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Im real-life und im Regal , Uniformität wirkt, wie hier am Gate auf dem Innsbrucker Flughafen

Neulich war ich in Innsbruck am Flughafen. Das ist ein kleiner Flughafen, so wie man sich einen Innsbrucker Flughafen vorstellt mit ein paar Lebensmittlern (das östereichische Wort für alles von Metro bis Späti, das Lebensmittel verkauft) und einer Wartehalle mit 5! Gates. Ich saß da also so und dachte ‚hier haste mal deine Ruhe‘, da fielen mir die vielen roten Jacken auf, die die Halle bevölkerten. Nach einer kurzen Kontaktaufnahme und einem netten Gespräch wusste ich: das ist die Crew eines rotterdammer Radiosenders auf Exkursion (oder wie es manchmal auch kacke formuliert heist: incentive Trip). Die waren Ski fahren und wieder auf dem Heimweg. Ich dachte noch ein bisschen drüber nach und kam zu zwei Erkenntnissen. Erstens wie schäbig manche Betriebe mit dem Thema Teamevents umgehen (nämlich Alle, in denen ich bisher gearbeitet hatte) und zweitens, dass die einen Human-Impact in dem Terminal hatten, die Funktionsweise des Shelf impact also nicht auf FMCG-Regale begrenzt ist. Grund genug, darüber nochmal nach zu denken…

Ich war vor Jahren mal auf einer Konferenz, auf der die Nivea-Design Chefin Corinna Asmussen (die erste Ihrer Art bei Nivea) einen interessanten Vortrag über Design Management gehalten hat. Während dieses Vortrages ging es neben den Widrigkeiten, die die Vereinheitlichung aller Designabteilungen und Agenturen, die für Nivea arbeiten darum, eine Balance zu finden zwischen einheitlichen Produktverpackungen und einer Differenzierung von Produktgruppen durch die Verpackung.

Der Vorteil bei einheitlichem Packungsdesign liegt auf der Hand. Man hat viel geringere Entwicklungskosten, man kann einfach den Namen austauschen und hat eine Verpackung für das neue Produkt, der Kunde erkennt es sofort wieder und kann es einer Firma oder Make zuordnen. Stellt man die verschiedenen Produkte in ein Regal nebeneinander und die meisten Supermärkte machen das mittlerweile so (jedenfalls im Drogereiebereich wo Nivea ja unterwegs ist) habe ich nicht eine Flasche im Regal, die meine Marke anzeigt, sondern eine ganze Fläche, voll mit Produkten, die diesen Effekt um ein Vielfaches verstärken. Bei Barilla Nudeln funktioniert das zum Beispiel seh gut. So schön das ist und so gut für die Auffindbarkeit von Nivea-Produkten, hatten es die Vorgänger doch übertrieben mit der Gleichgestaltung von Verpackungen und ich als Brillenträger konnte die Anekdote, die auf der Konferenzzur Veranschaulichung des Problems erzählt wurde, gut nachvollziehen. Die ging in etwa so: Eine Freundin hatte sich mal mit einer Pflegespülung nach dem Duschen eingecremt und war dann vor die Tür gegangen, was ziemlich schnell zu den erwartbaren Beschwerden führte: trockene Haut und unerträglicher Juckreiz am ganzen Körper. Die Freundin war Brillenträgerin, die im Bad die Brille nicht trug und mit 3 Dioptrien die Produkte nicht mehr auseinander halten konnte. Ich selbst habe mich auch schon mal über die Verpackungen von Pantene aufgeregt, weil ich wiederholt versucht hatte, mir mit Spülung die Haare zu waschen. Hier ein kleines Mitmachrästel: Was ist das Shampoo und was die Spülung? Bild öffnen und Augen zusammenkneifen, um drei Dioptrien zu simulieren.

 Und? Wer hat auf den ersten Blick erkannt, was man zuerst und was danach benutzt? Richtig. Ich auch nicht. Als ich rausfand, dass das Shampoo die Kappe oben und die Spülung die Kappe unten hat, kam ich mir sehr schlau vor. Offensichtlich war es jedenfalls nicht…

Zurück zu Nivea. Man hatte also rausgefunden, dass die „Blue Wall„, die Nivea durch die Blaufärbung aller Produkte von Creme über Duschprodukte, hin zu Sonnencremes in Läden die Auffindbarkeit und das Markensignal von Nivea maximiert, die Unterscheidbarkeit der Produkte untereinander aber miserabel war.

Nivea hatte vor 2013, bevor Corinna Asmussen dort Ihre Arbeit aufnahm, keine zentrale Anlaufstelle für Fragen der einzelnen Abteilungen das Produktdesign betreffend. So kam es, dass sich jeder Produktmanager seine Entwürfe vom vorstand genehmigen lassen musste, was zu ziemlichem Wildwuchs bei den Packungsdesigns, sowohl zwischen Produktgruppen, als auch geographischen Unterschieden führte.
Die Reaktion war die Vereinheitlichung der Produktverpackungen durch eine zentrale Vorgabe. Die ging jedoch zu weit, bzw. war zu eng gefasst sodass die Produkte sich äußerlich nicht unterschieden und Verwirrung beim Konsumenten hervorriefen. Die Blue-Wall wurde vom Shelf Impact her gut bewertet, jedoch nicht vom Gesichtspunkt der Produkt-Erkennbarkeit.
Also erarbeitete man eine Reihe von Erkennungsmerkmalen, die Nivea-Produkte einen und dennoch Platz zur eigenen Gestaltung geben sollte. Ausgangs- und Bezugspunkt sollte dabei immer die Nivea-Dose sein, die durch ihre historische Bedeutung für Baiersdorf den Kern der visuellen Markenidentität darstellt.

Foto: Aus der Präsentation von Frau Asmussen

 Die einzelnen Produktgruppen werden von den jeweiligen Produktmanagern verpackt -> kein Bezug untereinander und zur Marke nur den Schriftzug…  

Foto: Aus der Präsentation von Frau Asmussen 

Maximaler Shelf-impackt und Bezug zur Marke (der Kreis mit der Wortmarke), aber kein intuitiver Hinweis auf das Produkt selbst oder die Produktgruppe… 

Foto: Aus der Präsentation von Frau Asmussen

 Freiere Vorgaben im Packungs-Design ermöglichen eine Differenzierung ohne den Bezug zur Marke und untereinander zu gefährden.

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