Ich habe gestern mit einem Aufhebungsvertrag meinen Job beendet. Ich hatte in einer Design-Abteilung eines großen Architekturbüros als Senior gearbeitet, eigentlich ein guter Job. Doch die Architektenscheisse kollidierte zunehmend mit meinem Charakter. Architekten wissen was ich meine. In einem Gespräch teilte ich einer Freundin die vor kurzem gewonnene Erkenntnis mit, warum so viele Architekten dumme Menschen sind. Also uninteressiert an übergeordneten Zusammenhängen, kein tieferes Erkenntisinteresse, in von keinerlei Faktenkenntnis getrübten Reduktion von Komplexität leichtfüßig Entscheidungen treffen, oft eben ein Inselinteresse an Architektur, Design oder gerade so viel pseudowissenschaftlichen Geisteswissenschaften, wie man nach 3 Gläsern GinTonic braucht, um die heiße Praktikantin zu beeindrucken. Es ist das Bild, des Architekten, das dem Beruf selbst zum Verhängnis wird. Der/Die elegante, weltmännische Kreative, der irgendwann Nachts am Schreibtisch eine Eingebung bekommt und die Idee aus Ihm rausfließt, er den Entwurf in der kreativen Extase zu Papier bringt, dann nach Fertigstellung viel Applaus und vielleicht ein Preis. Zentral ist dabei der Charachter des Künstlers, der eigentlich außer coolness nichts bringen muss.
Als ich noch KungFu trainiert habe, hatte ich dort einen Kollegen, der war Montag, Mittwoch, Freitag beim KungFu, Dienstag und Samstag beim Systema und Mittwoch und Freitag beim Kick Boxen. Ich riet ihm lieber ne Therapie zu machen, das sei weniger anstrengend als sich auf diese Weise die Geister der Vergangenheit vom Leib zu halten. Er hatte sich nie gefragt, warum er sich so ein Kampfsport-Pensum antat (ohne konkretes Ziel wie z.B. eine KSK oder SEK Bewerbung). Das hat aber System. Warum gibt es bei den Kampfsportlern so viele, die sich aus einer Rolle der Ohnmacht befreien wollen, bei der Polizei so viele Agressionsgestörte, bei den Architekten so viele Dumme Menschen und im Zöllibat so viele Homosexuelle (was in dieser Reihe der negativen Zuweisungen abweicht). Die Antwort ist ziemlich trivial, doch wenn man sich die Frage nicht stellt bekommt man sie eben nicht. Jobs, Aktivitäten, Produkte bestehen in unseren Köpfen aus einer Vielzahl von Attributen und Bildern, die von dem eigentlichen Subjekt (z.B. dem Job) losgelöst existieren, ihm jedoch zugewiesen sind. So weis man z.B. dass man im Zöllibat keinen Sex mit Frauen haben muss, dafür viel Zeit mit gleichgesinnten Männern verbringen wird. So weis man, dass man als Polizist mit dem staatlichen Gewaltmonopol ausgestattet in den Straßen die Staatsgewalt ausüben darf.
Sehen wir uns die aktuelle Bundeswehr Kampagne an und fragen uns dann, wer sich wohl davon angesprochen fühlen könnte und welche Gruppe von Bewerbern das erzeugen könnte. Wir sehen einen kernigen Typen, der dem Betrachter einen mehr als ernsten Blick aus dem Cockpit eines Kampfjets zuwirft. Offenbar ist gerade die Haube hochgegangen, er trägt noch Atemmaske und Helm, ihm steht der Schweiß im Gesicht. Alles ziemlich männlich und als Identifikationsfigur für junge Erwachsene geeignet.
Ich habe versucht intersubjektiv an das Bild heran zu gehen, kann mir aber nicht vorstellen, dass es viele Menschen gibt, die in seinen Augen nicht den Schock sehen, den man bekommt wenn man feststellt dass das was eben noch durch die Bordkamera wie eine Gruppe Terroristen aussah sich kurz vor dem Aufschlag der Bombe als Hochzeitsgesellschaft entpuppte. Jetzt sitzt er da, versteinert, weis nicht, ob er aussteigen soll… Diese interpreation ist bestimmt durch mich geprägt. Doch woher kommt es, dass so viele Arbeitgeber sich so in der Zielgruppe irren? Es liegt an einem falschen Bild von sich selbst und daraus resultierend, falsch gesetzten Rekrutierungszielen. Martialisch inszenierte Darstellungen ziehen Kandidaten an, die sich nach Männlichkeit, Schweiß und Gewalt sehnen oder den damit verbundenen Attributen. Das Foto des schwitzenden Kampfjetpiloten reiht sich ein in eine Serie von Fehlgriffen die bis runter zur GamesCon gehen, vor deren Toren anbiedernde Plakate mit Spieler-Fachvokabular auf Rekrutenfang gingen. Wer soll sich genau darauf melden?
Gegenbeispiel: Schon etwas älter und auch nicht in meinem polititschen Lager angesiedelt: der Springerverlag suchte anscheinend unkonventionelle interessante Redakteure und Medienentwickler mit folgendem Spot. Der Unterschied zur Bundeswehrkampagne ist offensichtlich. Testosteron steht Intelligenz gegenüber.
Das Learning aus den Beispielen ist: gehen Sie einen Schritt zurück und fragen Sie sich, welches Zielgruppenprofil Sie mit der Kommunikationsmaßnahme erreichen wollen. Auf welche trigger sprechen Die an? Wie komplex darf die Botschaft sein? Auf welchem Kanal und wo spiele ich die Botschaft aus? Hier möchte ich auf meine Rekrutierungs-Kampagne für ATP hinweisen. Hier wurde nach allen Regeln der Kunst alles beachtet, was in einer frühen Kampagnenplanung ausschlaggebend ist: Personalbedarf und Rekrutierungserfolg definieren Rekrutierungs-ziel und -fokus. Zielgruppenprofile definieren art der Ansprache, sowie Kanäle und Medieneinsatz.